Die Kosten für die Neugestaltung eines Strassenraums dürfen nicht als gebundene Ausgaben deklariert werden. Diese Bundesgerichtspraxis hat das Verwaltungsgericht mit seinem Entscheid zur Stimmrechtsbeschwerde betr. Frauenfelderstrasse bestätigt. Nun sollte der Stadtrat dringend auf Dialog setzen statt auf eine weitere juristische Konfrontation mit der Bevölkerung!
Gebundene Ausgaben geben im Parlament immer wieder zu Diskussionen Anlass. Im Fall der Frauenfelderstrasse wurde die Frage der Gebundenheit nun gerichtlich geklärt. Bei diesem Rechtsstreit geht es um die Grundsatz-Frage, ob die Neugestaltung eines Strassenraums als gebundene Ausgabe deklariert werden darf oder nicht. Wären die Kosten gebunden, könnte das Parlament und damit die Bevölkerung inskünftig bei allen Strassenprojekten (ausser bei Neubauten) vom Stadtrat durch Gebundenheitserklärungen übergangen werden. Das wäre ein Dammbruch und ein völliger Paradigmenwechsel gewesen.
Je mehr Kosten als gebunden erklärt werden, umso mehr verschieben sich die Entscheidungs-Kompetenzen vom Parlament bzw. der Bevölkerung hin zum Stadtrat. Es geht also um nicht weniger als die gelebte Demokratie in unserer Stadt. Ausgaben gelten gemäss Gemeindegesetz nur als gebunden, wenn für die Ausgaben ein rechtlicher Auftrag besteht und sachlich (wie?), zeitlich (wann?) und örtlich (wo?) kein erheblicher Entscheidungsspielraum besteht. Für gebundene Ausgaben müssen alle genannten Kriterien gleichzeitig erfüllt sein. Der dringende Handlungsbedarf allein reicht nicht.
Im Urteil steht: „Weil die Qualifikation eines Kredites als gebundene Ausgaben zugleich einen Miteinbezug der Stimmberechtigten ausschliesst, drängt sich Zurückhaltung bei der Annahme einer gebundenen Ausgabe auf.“
Hat also der Stadtrat die notwendige Zurückhaltung walten lassen bei seinem Entscheid zur Frauenfelderstrasse? Das Verwaltungsgericht sagt dezidiert NEIN, weil es einen grossen Handlungsspielraum bei der Frage „wie?“, also der Art der Neugestaltung der Frauenfelderstrasse sieht. Deshalb dürfen die Kosten nicht für gebunden erklärt werden. Zudem schreibt es, „das Projekt ist so wichtig, dass es der Mitwirkung der Bevölkerung nicht entzogen werden darf.“
Stadtrat hat nicht mehr Rechte als andere Exekutiven
Die Stadt Winterthur führte in seiner Replik an den Bezirksrat gar aus, an die Gebundenheitserklärung sei in Gemeinden der Grösse der Städte Zürich und Winterthur weniger hohe Anforderungen zu
stellen als in kleinräumigen Verhältnissen. Oder anders gesagt, der Winterthurer Stadtrat habe bei Strassenprojekten höhere Kompetenzen als die Exekutiven in anderen Gemeinden. Das
Verwaltungsgericht hat klar festgehalten, dass es keine Sonderrechte für Winterthur gibt. Das Urteil, das auch mit dem Bezirksrat hart zu Gericht geht, lässt an Deutlichkeit kaum zu wünschen
übrig.
Weiterzug möglich – aber nicht sinnvoll!
Stadträtin Christa Meier teilt im Landboten mit, der Stadtrat prüfe einen Weiterzug des Urteils ans Bundesgericht. Was würde das bedeuten? Zuerst mal weitere Kosten für die Bevölkerung der Stadt
Winterthur, da der Stadtrat den Rechtsstreit ja nicht selbst bezahlt. Wäre ein Weiterzug im Sinne der Sache und ein sinnvoller Einsatz der städtischen Ressourcen? Sicher nicht! Denn würde der
Stadtrat tatsächlich den Rechtsweg beschreiten, würde an der Frauenfelderstrasse noch lange nichts gebaut.
Dialog statt weitere Konfrontation suchen
Wäre die Bauvorsteherin hingegen bereit, das Projekt nochmals zu überdenken und eine inhaltlich bereinigte Vorlage ins Stadtparlament zu bringen, ginge es deutlich rascher. Wir fordern den
Stadtrat deshalb auf, nicht auf Konfrontation mit der Bevölkerung zu gehen und auf einen weiteren Rechtsstreit zu verzichten. Er soll auf den Dialog setzen, um eine gute Lösung für die Sanierung
der Frauenfelderstrasse zu erzielen. «Das Jahr 2023 soll ein Jahr der Demokratie werden» schrieb Stadtrat Kaspar Bopp in der aktuellen Ausgabe WiZE. Der Stadtrat möge seinen Worten konkrete Taten
folgen lassen.